Prüfungsordnung

Weiterbildungs- und Prüfungsordnung für die Heranbildung von „Fachkräften für Hörfrühförderung“ für Kinder mit Hörstörungen in Sachsen-Anhalt“ (FKH LSA)

Präambel

Die Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder ist von grundlegender Bedeutung für die individuelle Entwicklung der betroffenen Kinder. Dazu gehört auch die spezielle Frühförderung sinnesbehinderter, hier insbesondere hörgeschädigter, Kinder. Das Ziel der hörpädagogischen Frühförderung ist es, eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und die Behinderung oder deren Folgen durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern.

Um diesem Auftrag gerecht zu werden, erfolgt in ausgewählten heilpädagogischen Frühförderstellen der Aufbau eines zusätzlichen Schwerpunkts auf dem Gebiet des Hörens im Rahmen des Projekts „Sachsen-Anhalt hört auf seine Kinder – Hörgerichtete Frühförderung“.

Hierfür werden Fachkräfte an Frühförderstellen in Sachsen-Anhalt speziell fortgebildet und weisen die erworbenen Fertigkeiten in einem Prüfungsverfahren auf der Grundlage eines Rahmenplanes (Anlage 1) nach.

Dieses Schulungsprogramm wurde durch Sachsen-Anhalt gefördert.

1. Anwendungsbereich

Die Weiterbildungs- und Prüfungsordnung regelt die Weiterbildung von Fachkräften der Frühförderung für den Bereich der fachgerechten Frühförderung von Kindern mit Hörstörungen in Sachsen-Anhalt.

2. Ziel der Weiterbildung

Die Weiterbildungsmaßnahme soll den Umgang mit hörbehinderten und von einer Hörbehinderung bedrohten Kindern schulen und dabei spezielle Grundlagen und anatomisch-physiolo-gische Kenntnisse über die Hörentwicklung, aber auch über pathologische Veränderungen des Hörorgans und deren Diagnostik sowie über die Therapie und Förderungsmöglichkeiten des Kindes vermitteln.

3. Form und Dauer der Weiterbildungsmaßnahme

3.1 Die Weiterbildungsmaßnahme umfasst einen Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren. Sie gliedert sich in 3 Phasen und wird mit einer Prüfung abgeschlossen.

3.2. Die Weiterbildung erfolgt auf Grundlage des Rahmenplans in Anlage 1.

4. Ziel der Prüfung und Bezeichnung des Abschlusses

4.1 Durch die Prüfung ist festzustellen, ob die Prüfungsteilnehmerin / der Prüfungsteilnehmer über die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen verfügt, um heil- und hörpädagogische Frühfördermaßnahmen incl. Vorbereitungen zu audiometrischen Messverfahren sowie die korrekte Handhabung von Hörsystemen und Zubehör durchzuführen.
4.2 Die Teilnahme am Schulungsprogramm wird nach erfolgreich abgelegter Prüfung durch ein Zertifikat bestätigt.

4.3. Erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen sind „Fachkräfte für Hörfrühförderung“ im Land Sachsen-Anhalt.

5. Voraussetzungen für die Zulassung zur Teilnahme an der Weiterbildung und die Zulassung zur Prüfung

5.1 Zur Weiterbildung kann zugelassen werden, wer eine abgeschlossene Ausbildung zur Heilerzieherin / zum Heilerzieher oder zur Heilpädagogin / zum Heilpädagogen nachweisen kann.

In Ausnahmefällen können Personen, die einen Abschluss als Kinderkrankenschwester / Kinderkrankenpfleger, als Krankenschwester / Krankenpfleger oder ähnliche Qualifizierungen vorweisen können, und langjährig sowie erfolgreich in der Hörfrühförderung tätig sind, zugelassen werden.

5.2 Zur Prüfung kann zugelassen werden, wer die Weiterbildungsmaßnahme absolviert hat oder glaubhaft machen kann, über vergleichbare Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Umgang und in der Förderung hörbehinderter Kinder zu verfügen.

6. Weiterbildungsstelle

6.1 Die Weiterbildungsstelle für die Heranbildung und kontinuierliche Fortbildung der Fachkräfte für Hörfrühförderung wird im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte Halberstadt, einem überregionalen Förderzentrum für den sonderpädagogischen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsbedarf im Bereich „Hören“, eingerichtet.

6.2. Die Weiterbildungsstelle gestaltet in Abstimmung mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales folgende Aufgabenbereiche:

– das Erstellen eines Rahmenplans für die Weiterbildungsmaßnahme,
– die Zulassung der Teilnehmer zur Weiterbildungsmaßnahme,
– die inhaltliche Ausgestaltung und die Durchführung der Weiterbildungsmaßnahme,
– die Errichtung eines Prüfungsausschusses,
– die Zulassung und die Durchführung der Prüfung,
– die kontinuierliche Fortbildung der Fachkräfte für Hörfrühförderung.

7. Prüfungsausschuss

7.1 Der Prüfungsausschuss besteht aus mindestens 3 Mitgliedern, von denen ein Mitglied den Vorsitz führt. Dem Prüfungsausschuss gehören ein Arbeitnehmervertreter und ein Arbeitgebervertreter sowie Fachprüfer an.

7.2. Alle Entscheidungen sind mehrheitlich zu treffen. Bei Stimmengleichheit entscheidet der / die Vorsitzende.

7.3. Der Prüfungsausschuss legt das Gesamtergebnis fest.

8. Bestehen der Prüfung

Die Prüfung ist bestanden, wenn sowohl in der fachtheoretischen als auch in der fachpraktischen Prüfung mindestens 50 % der geforderten Leistungen erbracht worden sind.

9. Zulassung zur Prüfung

9.1 Der Antrag auf Zulassung zur Prüfung ist bei dem Vorsitz führenden Mitglied des Prüfungsausschusses zu stellen. Dem Antrag sind beizufügen

a)    die staatliche Anerkennung als Heilerzieherin oder Heilerzieher, Heilpädagogin oder Heilpädagoge oder die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenschwester oder Krankenpfleger, Kinderkrankenschwester oder Kinderkrankenpfleger,

b)    der Nachweis über die langjährige Tätigkeit in einer Frühförderstelle und

c)    die Bescheinigung über die Teilnahme am Unterricht und die Ableistung der Praxiseinheiten.

9.2 Über die Zulassung zur Prüfung entscheidet das Vorsitz führende Mitglied des Prüfungsausschusses. Die Prüfungstermine und die Zulassung sind den Teilnehmerinnen und Teilnehmern spätestens vier Wochen vor Prüfungsbeginn schriftlich mitzuteilen. Eine Ablehnung ist zu begründen.

10. Gliederung, Inhalt und Dauer der Prüfung

10.1 Die Prüfung gliedert sich in einen fachtheoretischen und einen fachpraktischen Teil.

10.2 Für die theoretische Prüfung sind Kenntnisse in 5 Prüfungsfächern schriftlich nachzuweisen. Die Prüfung soll nicht länger als 5 Stunden dauern.
Prüfungsfächer sind:
– Medizinische Grundlagen (Anatomie, Physiologie, Pathologie)
– Medizinische Therapie und Rehabilitation
– Audiometrie und Hörgerätekunde
– Grundsätze der Hörfrühförderung
– Das hörgeschädigte Kind

10.3 In der praktischen Prüfung sind folgende Kenntnisse nachzuweisen:
– Interpretation von Hörmessungen (30 Minuten)

– Hörsystemkunde (30 Minuten)
– Vorstellung der Projektarbeit mit Fachgespräch (60 Minuten)

10.4 Die schriftliche Prüfung und die praktische Prüfung sind im Verhältnis 1:1 zu gewichten.
10.5 Die schriftliche Prüfung ist auf Antrag des Prüflings oder nach Ermessen des Prüfungsausschusses durch eine mündliche Prüfung zu ergänzen, wenn diese für das Bestehen der fachtheoretischen Prüfung ausschlaggebend sein kann. Die mündliche Prüfung soll nicht länger als 15 Minuten dauern.

10.6 Das Ergebnis der schriftlichen Prüfung und der mündlichen Prüfung sind im Verhältnis
2 : 1 zu gewichten.

11. Bewertungsmaßstäbe

11.1 Die Prüfungsleistungen sind wie folgt zu bewerten:
eine den Anforderungen in besonderem Maße entsprechende Leistung

= 100 – 92 Prozent = Note 1 = sehr gut

eine den Anforderungen voll entsprechende Leistung

= unter 92 – 81 Prozent = Note 2 = gut

eine den Anforderungen im Allgemeinen entsprechende Leistung

= unter 81 – 67 Prozent = Note 3 = befriedigend

eine Leistung, die zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht

= unter 67 – 50 Prozent = Note 4 = ausreichend

eine Leistung, die den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass gewisse Grundkenntnisse noch vorhanden sind

= unter 50 – 30 Prozent = Note 5 = mangelhaft

eine Leistung, die den Anforderungen nicht entspricht und bei der selbst Grundkenntnisse fehlen

= unter 30 – 0 Prozent = Note 6 = ungenügend.

11.2 Zur Ermittlung der durchschnittlichen Punktzahl für jede mündliche Prüfungsleistung ist die Summe der erzielten Punkte durch die Zahl der Prüfer zu dividieren. Ergeben sich dabei Bruchteile von Punkten, bleibt die zweite Stelle nach dem Komma unberücksichtigt.

Liegen die Bewertungen durch die einzelnen Prüfer mehr als zwei Noten auseinander, so ist ein
Einigungsversuch zu unternehmen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die / der Prüfungsausschussvorsitzende.

12. Feststellung des Prüfungsergebnisses

12.1 Der Prüfungsausschuss stellt gemeinsam die Ergebnisse der einzelnen Prüfungsleistungen fest.

12.2 Die Prüfung ist bestanden, wenn die beiden Prüfungsteile mit mindestens ausreichend bewertet wurden.

12.3 Die Entscheidung über das Bestehen der Prüfung ist der Prüfungsteilnehmerin / dem Prüfungsteilnehmer schriftlich mitzuteilen.

12.4 Über den Verlauf der Teilprüfungen einschließlich der Feststellung der einzelnen Prüfungsergebnisse ist jeweils eine Niederschrift zu fertigen. Sie ist von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses zu unterzeichnen.

13. Prüfungszeugnis

Über die Prüfung erhält die Prüfungsteilnehmerin / der Prüfungsteilnehmer ein Zertifikat gemäß Anlage 2.

14. Nicht bestandene Prüfung und Wiederholungsprüfung

Eine Prüfung, die nicht bestanden ist, kann zweimal wiederholt werden.

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Anlagen
1-Rahmenplan
2-Zertifikat


Anlage 1

Rahmenplan für die Weiterbildungsmaßnahme zur Heranbildung von „Fachkräften für Hörfrühförderung“ für Kinder mit Hörstörungen in Sachsen-Anhalt“ (FKH LSA)

Die Lernbereiche werden in 3 Phasen vermittelt.

Die Phase A beschäftigt sich mit den anatomisch-physiologischen Grundlagen des Hörorgans, mit dessen Pathologien, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. In diesem Rahmen werden auch praktische Fertigkeiten im Bereich der kindlichen Hördiagnostik und in der Funktionsweise von Hörgeräten vermittelt.

Einführung

–       Vorstellung des Projektes

–       Bedeutung der Frühförderung

1. Anatomisch-physiologische Grundlagen

–       Anatomie des peripheren Hörorgans und der zentralen Hörbahn

–       Neurophysiologische Grundlagen des Hörens

–        Reifung und Bahnung des auditorischen Systems

2. Erkrankungen des Hörsystems

–        Einteilung der Hörstörungen

–        Erkrankungen des Ohres

3. Diagnostik einer Hörstörung

–       Diagnostische Methoden

–       Besondere Herausforderung der Diagnostik kindlicher Hörstörungen

4. Neugeborenen-Hörscreening

–       Organisation und Durchführung

5. Einführung in die Audiometrie

–       Grundlagen der Audiometrie

–       Luft- und Knochenleitung

–       Reintonschwellenaudiogramm

–       Sprachaudiogramm

–       Die Konditionierung des Kindes zur Hördiagnostik

–       Praktische Übungen zur Hördiagnostik

6. Die Therapie kindlicher Hörstörungen

–       Konservative Therapie

–       Operative Maßnahmen

–       Indikation und Möglichkeiten der apparativen Rehabilitation

–       Konventionelle Hörgeräte,

–       Implantierbare Hörgeräte

–       BAHA

–       Cochlea Implantat

7. Hörgeräte

–       Aufbau und Funktionsweise eines Hörgerätes

–       Bedienung und Anpassung

–       Aspekte der kindlichen Hörgeräteanpassung

–       Fehlerdiagnosen

–       FM-Anlagen und Zubehör

–       Bedienung und Einsatz

8. Cochlea-Implantat

–       Aufbau und Funktionsweise des Cochlea Implantates (CI)

–       Unterschied zwischen Hörgerät und CI

–       Die Entscheidung zur CI-Versorgung

–       Präoperative Diagnostik und Operation

–       Erstanpassung des Sprachprozessors

–       Rehabilitation nach Cochlea-Implantat-Versorgung

9. Die Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)

–       Definition und Symptome

–       Erkennen einer AVWS

–       Diagnostik einer AVWS (Überblick)

–       Therapeutische Interventionen

10. Sprachentwicklung

–       Grundlagen der Sprachentwicklung

–       Diagnostik der Sprachentwicklungsstörung

–       Sprachentwicklungsstörungen bei Hörstörung

 

Die Phase B ist hauptsächlich auf die praktische Umsetzung ausgerichtet.

Förderung hörgeschädigter Kinder im Vorschul- und Grundschulalter an einer Förderschule für Hörgeschädigte

–       Hospitation in der Grundschule

–       Hospitation im Schulteil mit schulvorbereitenden Aufgaben

–       Reflexion und Auswertung

Die Aufgaben der Frühförderung von Kindern mit Hörstörung

–       Die Frühförderung als Bindeglied der interdisziplinären Betreuung

–       Politische Voraussetzungen, integrative Betreuung in S/A, Bedeutung der Frühförderung für die spätere schulische Entwicklung

Die Aufgaben der Frühförderung von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen bei einer Hörstörung

Die stationäre Therapie hörgeschädigter Kinder nach Implantation eines Cochlea Implantats

–       Vorstellen der Einrichtung und Einführung

–       Hospitation in zwei Therapieeinheiten

–       Reflexion und Auswertung

Konzepte für die spezielle Frühförderung hörgeschädigter Kinder

–       Überblick

–       Ausgewählte Beispiele:

–       Die Auditiv-Verbale Therapie

–       Gebärdengestützte Frühförderung

Praktische Aspekte der speziellen Frühförderung hörgeschädigter Kinder

–       Planung

–       Dokumentation

–       Organisatorische Abläufe

–       Fallbeispiele


 

 

Die Phase C schließt unmittelbar an die vermittelten Grundlagen an und findet hauptsächlich im Selbststudium und in den betreffenden Einrichtungen über den Zeitraum eines Jahres statt. In dieser Zeit werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein hörbehindertes Kind entsprechend der Anleitungen betreuen. Dazu werden Sie einen Förderplan erstellen und aussagefähige Videoaufnehmen anfertigen. Um die Arbeit zu erleichtern, erhalten Sie auf Wunsch einen Mentor für die Supervision, den Sie jederzeit ansprechen können.

Praktische Umsetzung der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten

–       spezielle Frühförderung eines hörgeschädigten Kindes

–       Erstellen einer Falldokumentation

–       Vorstellen und Reflexion der Ergebnisse und Erfahrungen

–       Fortschreibung der Therapieplanung (Kollegiale Beratung)

–       Möglichkeit eines Tutoriums „vor Ort“ durch Kollegen des LBZ für Hörgeschädigte Halberstadt (bei Bedarf)

–       Demonstration von Fallbeispielen der Teilnehmer

–       Möglichkeit zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch

–       Einführung in die Technik der Konditionierungsgeräte

Abschlussgespräch

–       Falldokumentation und Demonstration

–       Fragen zu theoretischen Grundlagen

Anlage 2

Zertifikat über die Prüfung „Fachkraft für Hörfrühförderung

 für Kinder mit Hörstörungen in Sachsen-Anhalt“ (FKH LSA)

Herr/Frau ______________________________

geboren am ________ in_________________

hat am _____________________

die Prüfung als

Fachkraft für Hörfrühförderung

in Sachsen-Anhalt

gemäß  Weiterbildungs- und Prüfungsordnung

für die Heranbildung von „Fachkräften für Hörfrühförderung für Kinder mit Hörstörungen in Sachsen-Anhalt“ (FKH LSA)

mit folgenden Ergebnis bestanden:                        Note: _________

Datum _________

Unterschriften____________